Die Wanderung der Jugendlichen – ein Erfahrungsbericht von Brita

geschrieben von Brita, übersetzt von Pia

Britta kurz vor dem Start der Wanderung.

Anfang Juli ging es auch dieses Jahr für eine Gruppe von Jugendlichen bei Renovación auf die fünftägige Wanderung ‚El Choro‘, einer von den sogenannten Camino del Incas, welche Routen bezeichnen, die von den Incas, aber auch teilweise von anderen präkolumbianischen Gesellschaften genutzt wurde. El Choro hat somit bereits vor über 2000 Jahren als Verbindung zwischen bolivianische Hochland und dem Regenwaldgebiet gedient. Er ist nach einem Ort auf dem Weg benannt. Im Folgenden berichtet Britta von ihrer Erfahrung auf der Wanderung. Sie ist 19 Jahre alt, studiert in Oruro Anthropologie und war dieses Jahr zum ersten Mal beim Choro dabei.

Vom 7. bis 11. Juli dieses Jahres hatte ich die unglaubliche Chance, am Camino del Inca El Choro teilzunehmen – ein Abenteuer, das mich für immer verändern wird.

Wir waren 24 Leute, alle unterschiedlich, aber mit demselben Ziel: den Weg zu meistern und das Abenteuer in vollen Zügen zu genießen. Schon ab dem ersten Tag spürte ich eine besondere Verbindung zu den anderen. Obwohl wir uns vorher nicht kannten, war es beeindruckend, wie schnell wir zusammengewachsen sind. Es gab so viel Unterstützung untereinander, und die, die als Erste die Rastpunkte erreichten, kamen zurück, um denen zu helfen, die es schwerer hatten. Das gab mir das Gefühl, dass ich nie allein bin und wir gemeinsam alles schaffen können. 

Der Camino del Choro hat uns nicht nur wunderschöne Landschaften gezeigt, sondern mich auch zum Nachdenken gebracht, wie wichtig es ist, die Pachamama (Mutter Erde) zu respektieren und zu schützen. Es war so befreiend, mal ohne die ständige Ablenkung durch Social Media und das Internet unterwegs zu sein. Wir haben uns über Walkie-Talkies und Radios verständigt, was irgendwie cool war, weil wir uns dadurch viel mehr auf echte Gespräche und gemeinsame Momente konzentriert haben. 

Jeder Tag war eine neue Herausforderung – sowohl körperlich als auch mental. Aber mit der Gruppe war alles viel einfacher. Wir haben gesungen, um uns zu motivieren, beim Essen Geschichten geteilt und uns gegenseitig geholfen, das Gewicht unserer Rucksäcke und Gedanken zu erleichtern. Es fühlte sich echt so an, als wären wir eine improvisierte Familie, wo jeder etwas Besonderes beigetragen hat. 

Einer meiner Lieblingsmomente war die Zeit nachts, unter dem Sternenhimmel. Wir saßen zusammen, teilten Instant-Suppen und haben viel gelacht. Jeder hat das beigesteuert, was er hatte, und es war nicht nur das Essen, was diese Momente besonders gemacht hat, sondern die Nähe, die durch die Gespräche entstanden ist – inmitten der Stile der Berge.   

In der letzten Nacht, als wir versuchten, ein Lagerfeuer zu machen, und mehr lachten, als dass wir es tatsächlich entzündet bekamen, wurde ich irgendwie emotional. Stolz und Wehmut mischten sich – ich war so stolz auf das, was wir zusammen geschafft hatten, aber gleichzeitig wusste ich, dass ich diese Tage der Freundschaft und des Abenteuers vermissen würde. Als wir den Camino del Inca endlich beendet hatten, war das Gefühl unbeschreiblich, aber das Wertvollste, das ich mitnehme, sind die Freundschaften, die während des Weges entstanden sind. 

Am letzten Tag, bevor der Bus kam, haben wir uns entschieden, im Fluss zu baden. Das war magisch. Wir haben gelacht, Steine ins Wasser geworfen und uns gegenseitig Geschichten erzählt. Besonders werde ich die Gespräche mit Judith über ihr Leben in Deutschland und Bogdáns Tricks, wie man Steine auf dem Wasser springen lässt, in Erinnerung behalten. 

Diese Reise war viel mehr als nur eine Wanderung für mich – sie war eine echte Transformation. Die Herausforderungen des Weges haben mir gezeigt, wie viel Stärke in mir steckt, von der ich vorher nicht wusste. Vor dieser Reise war ich ziemlich wählerisch beim Essen, aber ich habe gelernt, auch kleine Dinge zu schätzen, besonders in Momenten der Knappheit. Das hat mir die Augen geöffnet und gezeigt, dass unsere alltäglichen Probleme oft gar nicht so groß sind, wie sie scheinen. 

Am wichtigsten war aber, dass ich durch diese Reise die Möglichkeit hatte, mich wieder mit mir selbst zu verbinden. Ohne die ständige Ablenkung durch das Internet habe ich gemerkt, wie wertvoll die Menschen um mich herum und die echten Momente sind, die wir gemeinsam erleben. Ich habe gelernt, meinen Ängsten zu begegnen und dass es völlig okay ist, um Hilfe zu bitten. Jede Herausforderung im Leben bietet die Chance, zu wachsen und stärker zu werden. 

Der Camino del Inca ist für mich nicht nur ein Wanderweg durch die Berge – er ist wie das Leben selbst. Mit jedem Schritt kommen neue Hindernisse, aber auch neue Möglichkeiten, zu lernen und uns selbst besser kennenzulernen. Am Ende geht es nicht nur darum, das Ziel zu erreichen, sondern all das, was man unterwegs erlebt und gelernt hat. 

Die Gruppe am vierten Tag der Wanderung – Britta steht mittig im rot-weiß gestreiften Oberteil.

Ich bin unglaublich dankbar, dass ich diese Erfahrung mit so tollen Menschen teilen durfte, und besonders für die Unterstützung von Yana Paña und Renovación Madre-Niño, der Organisation, der ich seit meiner Kindheit angehöre. Diese Reise hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich von all dem Oberflächlichen zu lösen und sich mit dem zu verbinden, was wirklich zählt – mit anderen Menschen und vor allem mit sich selbst. Das ist wohl die wichtigste Lektion, die ich mitnehme.

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